WELT online unterstellt Grünen, sie hätten Stopp von Stuttgart 21 versprochen

Am 16.07.2011 erschien in der Online-Ausgabe der Welt unter der Schlagzeile „Stuttgart 21 könnte Grünen zum Verhängnis werden“ dieser Artikel von Hannelore Crolly. In ihm schreibt Frau Crolly, die Grünen hätten versprochen, das Bahnprojekt Stuttgart 21 zu stoppen. Wir wissen, dass dies nicht korrekt ist. Korrekt ist, dass die Grünen versprochen haben, „alles dafür zu tun, um Stuttgart 21 zu stoppen“. Mehr konnten sie selbstverständlich nicht versprechen. Umso schlimmer ist es, dass Frau Crolly Lesern, die sich vielleicht nicht so intensiv mit dem Wahlkampf in Baden-Württemberg beschäftigt haben, genau dies suggerieren will. Ich empfinde das als Volksverarschung mit dem Ziel, den Grünen eine Wahllüge anzuheften. Man mag zu den Grünen stehen, wie man will – sie fälschlicherweise des Wortbruchs zu bezichtigen, ist unerhört.

  • Ich habe deshalb zunächst mehrfach den Twitter-Account der weltonline darauf aufmerksam gemacht und um Richtigstellung gebeten. Keine Reaktion.
  • Dann habe ich an die Redaktion der weltonline eine E-Mail geschrieben. Keine Reaktion.
  • Anschließend habe ich Frau Crolly über die Business-Plattform Xing angeschrieben. Keine Reaktion.
  • Danach habe ich Frau Crolly über Facebook angeschrieben. Keine Reaktion.
  • In der Folge habe ich erneut den Twitter-Account der weltonline angeschrieben. Diesen Tweet haben zahlreiche Twitterer retweetet. Keine Reaktion.
  • Nun könnte man denken, der Twitter-Account der weltonline hat einfach keine Zeit, auf jeden Tweet zu antworten. Doch als ich kurz danach auf Twitter die weltonline wegen eines anderen Artikels lobend erwähnte, erhielt ich kurz darauf ein „Danke“. Diesen Dankes-Tweet nahm ich zum Anlass, erneut um Richtigstellung zu bitten. Keine Reaktion.
  • Deshalb nahm ich am 1. August den Telefonhörer in die Hand und landete schließlich in Frankfurt bei einer Mitarbeiterin von Frau Crolly. Sie wollte sich darum bemühen, eine Klärung herbeizuführen und bat mich, mein Anliegen per E-Mail an sie zu richten. Keine Reaktion.
  • Kurz darauf schrieb ich die Dame erneut an und erkundigte mich nach dem Stand der Dinge (steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein…). Und dann – endlich eine Reaktion!

Ich gebe die E-Mail von Frau Crolly wörtlich wieder:

Guten Tag, Frau Schimmelpfennig,

Sie haben, wie ich verfahren habe, über Xing und Facebook den Kontakt gesucht, aber bei beiden bin ich nur angemeldet, benutze sie aber nicht. Erreichbar bin ich am besten per Mail. Es tut mir leid, dass Ihre Anfrage daher ins Leere lief. Und bei der Online-Mail-Adresse arbeiten glaube ich im Schichtbetrieb dauernd andere Leute, so dass es für den Nachfolger schwierig ist zu erkennen, ob der Vorgänger eine Mail weitergeleitet hat.

Ich habe mir gerade meinen Artikel noch einmal durchgelesen. Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen. Tatsächlich haben die Grünen nicht versprochen, S21 zu stoppen – in dem Sinne, dass sie im Fall ihrer Wahl ohne jede Rücksicht den Hammer senken werden und der Bahn das Weiterbauen einfach verbieten. Das allerdings war in dem Artikel auch gar nicht gemeint, wie sich von selbst versteht und meiner Meinung nach in der Folge auch klar wird. Ich habe viele Wahlveranstaltungen besucht und dabei immer wieder den Spruch gehört, dass „wir Grünen Stuttgart 21 stoppen wollen und werden“. Damit ist gemeint, was ich mit den Aussagen von Frank Brettschneider dann auch unterstrichen habe: dass nämlich die Grünen gegen Stuttgart 21 sind, den Stopp wünschen und dann als Regierung auch alles versuchen wollen, um den Bau zu verhindern. Die Glaubwürdigkeit der Partei, so Brettschneider, hänge nun davon ab, ob sie ihre Wähler von diesem „Bemühen“ auch überzeugen kann. Es gebe, so sagt der Wahlforscher, durchaus eine Klientel, die erwartet, dass nun, da die Grünen „an der Macht“ sind, S21 tatsächlich auch gestoppt werden müsse, komme und sei, was da wolle. Diese gelte es zu überzeugen, dass sich die grüne Seite der Regierung Mühe gab, aber letztlich (gesetzt den Fall, dass gebaut wird) eben nicht durchsetzen konnte und die Verhältnisse akzeptieren muss.

Laut Frank Brettschneider gehörte damit das Aus für Stuttgart 21 zu den Wahlversprechen, aber wie gesagt nicht gegen jedes Recht, sondern unter der Rubrik „Wunsch“ oder Absicht. Dass eine andere Variante auch gar nicht gemeint gewesen sein kann, weil damit Recht gebrochen würde, dürfte in meinem Artikel klar sein, denn niemand würde den Grünen unterstellen wollen, dass sie einfach bestehende Verträge verletzen. Ich hoffe, damit sind die Unklarheiten beseitigt.

Beste Grüße und herzlichen Dank für Ihre Mail

Hannelore Crolly

Die Welt – Welt am Sonntag – Berliner Morgenpost

Korrespondentin

Zeil 81

60313 Frankfurt am Main

Tel. 069 1338 4011

Mob: 0171 761 4011

Fax 069 / 295521

Mail: crolly@welt.de

Die Antwort von Frau Crolly war für mich in keiner Weise befriedigend, da sie sich ganz offenbar herausredete. Von Richtigstellung kein Wort. Deshalb antwortete ich Frau Crolly am 3. August wie folgt:

Guten Tag Frau Crolly,

vielen Dank für Ihre Erläuterungen. Auch ich habe mir Ihren Artikel noch einmal durchgelesen und zitiere:

Ökopartei soll endlich Wahlversprechen einlösen

Das Problem: Außer Appellen an die Bahn und Informationen über Unregelmäßigkeiten bei der Projektplanung, die häppchenweise aus dem Verkehrsministerium an die Presse lanciert werden, hat die Regierung nichts mehr im Köcher.

Doch die eingefleischten Grünen-Wähler drängeln, dass die Ökopartei endlich ihr Wahlversprechen einlöst und Stuttgart 21 stoppt. Auch die Basis fordert Standfestigkeit, selbst wenn der Bahnhof alle anderen Themen überlagert und personelle Ressourcen frisst.

Etwas später schreiben Sie:

Um nicht am Ende als Versager und Verlierer da zustehen, müssen die Grünen nach Ansicht des Wahl- und Kommunikationsforschers Frank Brettschneider jetzt ganz besonders geschickt agieren. „Es wäre verheerend für sie, wenn ihre Klientel ihnen vorwirft, nicht genug für den Stopp von Stuttgart 21 getan zu haben.“

Diese Aussagen Ihres Artikels entsprechen jedoch keineswegs der Erklärung in Ihrer E-Mail, dass dies ja „gar nicht so gemeint war“. Und noch viel weniger wird dies „in der Folge des Artikels klar“. Ganz im Gegenteil: Ohne die Erläuterungen in Ihrer E-Mail kann man nur den einen Schluss ziehen: Dass Sie der Ansicht sind, die Grünen hätten den Stopp von Stuttgart 21 versprochen. Dieser Meinung bin nicht nur ich, sondern auch zahlreiche Twitterer, die sich mit mir über Ihren Artikel empört haben. Es mag ja sein, dass Sie dies nicht so gemeint haben. Es ist jedoch die Aufgabe eines Journalisten, genau das zu schreiben, was er meint, so zu formulieren, dass die Absicht unmissverständlich erkannt werden kann. Es ist doch so: Wenn wie bei Ihrem Artikel viele anderen Leser genau das verstehen, was auch ich verstehe, dann haben Sie sich missverständlich ausgedrückt. Daran führt einfach kein Weg vorbei, das werden Sie sicher zugeben.

Dazu kommt, dass Sie der Landesregierung unterstellen, sie hätte nichts mehr im Köcher. Da wissen Sie mehr als ich. Sollten Sie dies als Vermutung gemeint haben, wäre die Formulierung „scheint die Landesregierung nichts mehr im Köcher zu haben“ korrekt gewesen. In diesem Fall bitte ich Sie, auch dies richtigzustellen. Sollte dies nicht der Fall sein, bitte ich Sie, dies kurz zu belegen, zum Beispiel unter Bezugnahme auf ein Gespräch mit der Landesregierung.

Insofern bitte ich Sie erneut, Ihren Artikel dahingehend zu überarbeiten. Mit Ihrer E-Mail haben Sie eine gute Basis für eine korrekte Formulierung gefunden. Ich bin sicher, dass die Leser der weltonline Ihnen dafür Respekt zollen werden. Selbstverständlich werde ich auf Twitter und auf meinem Blog dafür sorgen, dass Ihre Richtigstellung in der Öffentlichkeit auch wahrgenommen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Marion Schimmelpfennig

Ich werde über den Fortgang hier auf meinem Blog berichten. Selbstverständlich steht es jedem Leser meines Blogposts frei, sich ebenfalls direkt an Frau Crolly zu wenden.

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