Ein gemeinsamer Beitrag von @mamsell_heidi_ und @msbrains – Gegner in der Sache, Verbündete in Sachen Fairness, Gewaltfreiheit und Sachlichkeit.
Vor einigen Tagen platzte mir (@msbrains) die Hutschnur – als Gegnerin von Stuttgart 21 wollte ich das zum Teil unerträglich niveaulose Getwittere zum Thema nicht mehr ertragen. Offenbar hatte sich das unsachliche und beleidigende aufeinander Rumhacken irgendwie verselbständigt, es schien mittlerweile ganz normal zu sein, und zwar auf beiden Seiten! Was tun? Nicht mehr hinsehen, nicht mehr lesen, und in der Konsequenz dann eben auch nichts mehr beitragen?
Nein, es musste eine andere Lösung geben. Dann wurde ich auf @mamsell_heidi_ aufmerksam – eine auf den ersten Blick ganz typische Verfechterin des Bahnprojekts, immer einen äußerst flotten Spruch auf den Tasten und nie darum verlegen, wenn es darum ging, die Gegner zu ärgern. Es stellte sich allerdings heraus, dass @Mamsell_Heidi_ eindeutig nicht zu den niveaulosen Hetzern gehört, und so kam es dazu, dass wir vereinbarten, einen gemeinsamen Aufruf zu formulieren:
@msbrains ist vor allem deshalb gegen das Projekt, weil sie die Kosten für nicht vertretbar und Stuttgart 21 für ein reines Immobilen-Profitgeschäft hält. @Mamsell_Heidi_ ist vor allem deshalb für das Projekt, weil ihr das Gesamtpaket gefällt und sie es auch als städtebauliches Projekt sieht. Die Argumente wurden ausgetauscht, die Ansichten haben sich dadurch nicht verändert. Und was nun? Werden wir beide uns nun anschreien, damit der andere den eigenen Argumenten endlich folgt? Und wenn er es nicht tut, was machen wir dann? Beschimpfen wir den anderen dann als Idioten? Und wenn das auch nicht hilft, reißen wir dann wutentbrannt des anderen Plakate vom Bauzaun? Und wenn das auch nicht hilft, prügeln wir uns dann im Dreck? Und wenn das auch nicht hilft, nehmen wir dann einen Stock in die Hand???
Wie weit wollen wir gehen?
Wie wollen wir künftig miteinander umgehen? Macht sich eigentlich irgendjemand auch einmal Gedanken über die Zeit „nach“ Stuttgart 21? Seid ihr sicher, dass ihr dann noch alle in den Spiegel schauen könnt, ohne euch zu schämen? Werden wir jemals wieder normal miteinander sprechen können? Aber am wichtigsten: Wann merken wir eigentlich, dass wir alle nur benutzt werden?
Den meisten Befürwortern und Gegnern geht es um die Sache, und genauso sollte es natürlich auch sein. Doch den Verantwortlichen bei Bahn, Wirtschaft und in der Politik geht es unserer Meinung nach um etwas ganz anderes: Um Macht und vor allem um Geld: Stuttgart 21 ist kein reines Bahnprojekt, sondern in erster Linie ein Immobilienprojekt. Wollen wir uns von diesen Menschen vor den Karren spannen lassen? Wollen wir wirklich für diese Leute den Streit austragen? Wollen wir uns notfalls wirklich prügeln? Wollen wir wirklich fremdes Eigentum zerstören? Wollen wir es zulassen, dass wir zum Schluss alle als Randalierer und Kriminelle dastehen?
Lasst uns doch wieder an unser langfristiges Ziel denken – für bzw. gegen den Tiefbahnhof. Denn wenn wir wieder unser langfristiges Ziel vor Augen haben, können wir auch wieder strategisch denken. Und dann würde uns wieder klar werden, dass wir nur dann etwas ausrichten können, wenn wir von der Gegenseite und bei der Bevölkerung insgesamt ernstgenommen werden. Doch wer ernst genommen werden möchte, muss sachlich und friedlich bleiben.
Zugegeben – die Argumente wurden inzwischen mehrfach untereinander ausgetauscht und man konnte sich nicht einigen. Was können wir tun? Es ist eigentlich ganz einfach:
Letztlich muss – wird – die Mehrheit die entscheiden. Das bedeutet, beide Seiten müssen weiter für ihre Sache werben. Glaubt nicht, dass sich alle in der Bevölkerung bereits eine abschließende Meinung gebildet haben. Werben bedeutet, seine eigenen Argumente immer und immer wieder vorzubringen – in der Hoffnung, dass sich Menschen, die bisher noch unentschieden sind, davon überzeugen lassen. Alles andere schadet nicht nur der Sache, sondern vor allem uns selbst. Ignoriert Menschen, die weiterhin unsachlich bleiben möchten.
Lasst euch nicht provozieren.
Streitet über Stuttgart 21, aber verletzt nicht.
Gebt anderen die Chance, ihr Gesicht zu wahren.
Geht mit gutem Beispiel voran.
Und wenn es wieder einmal heiß hergeht: Atmet erst einmal tief durch, bevor ihr reagiert.