(Aktualisierte Version) Eins vorweg: Ich bin zwar gegen Stuttgart 21, aber falls die Volksabstimmung ergeben sollte, dass der Tiefbahnhof gebaut werden soll, wäre ich die letzte, die das nicht akzeptiert.
Doch das, was am 20. Juni auf der Montagsdemo geschehen ist, hatte meines Erachtens nur ein einziges Ziel: Die S21-Gegner zu diskreditieren, zu kriminalisieren, ihr Image als friedliche Demonstranten gezielt zu zerstören. Sollte es dann nämlich im Herbst zur Volksabstimmung kommen, weil die Bahn im Stresstest nicht nachweisen kann, dass sie ohne Mehrkosten die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs sicherstellen kann, ist es gut möglich, dass die Stimmung in der Bevölkerung bis dahin gekippt ist – und die Abstimmung zugunsten des Milliardenprojekts ausgeht.
Eine gewagte Theorie? Das glaube ich nicht.
Der gesunde Menschenverstand ist immer noch das beste Werkzeug, wenn es darum geht, Erklärungen zu finden. Und die wahrscheinlichste Erklärung ist in der Regel auch die korrekte Erklärung – das wird jeder Polizist, jeder Kriminalexperte bestätigen.
Als die ersten Presseberichte zum besagten Montag auftauchten und von Eskalation, Aggression, verletzten Polizisten und Schäden im sechs- bis siebenstelligen Bereich sprachen, war ich sprachlos. Es erschien mir nicht nachvollziehbar, dass Menschen, die über viele Monate hinweg friedlich protestiert hatten, aggressiv geworden sein sollten. Als dann die ersten Posts, Tweets, Blogs, Fotos und Videos von diesem Abend auftauchten, stellte sich mir ein völlig anderes Bild dar. Ja, es gab umgeworfene Bauzäune. Ja, es gab platte Lkw-Reifen. Und ja, es gab geworfene und mit Bauschaum unbrauchbar gemachte Rohre. Auch einen detonierenden Knallkörper habe ich auf einem Video gesehen.
Doch es gab so viele offensichtliche Unstimmigkeiten in den Meldungen der Presse:
„Demonstranten richten Schäden in sechs- bis siebenstelligem Bereich an.“ Wie können einige umgeknickte und umgeworfene Bauzäune (lassen wir es meinetwegen einige hundert Meter sein), zerstörte Lkw-Reifen (nehmen wir großzügigerweise mal 74 für einen Schwertransporter an), und unbrauchbar gemachte Wasserohre (gehen wir auch hier großzügigerweise von 100 aus) einen derart hohen Schaden verursachen? Gar nicht. Ich habe den Twitter-Account der Stuttgarter Nachrichten @StN_News gebeten, die detaillierte Liste der Beschädigungen zur Verfügung zu stellen, sobald sie der Redaktion vorliegt. Ich werde dranbleiben.
„Lkw-Reifen wurden zerstochen.“ Haben Sie schon einmal versucht, einen Lkw-Reifen zu zerstechen? Nein? Dann versuchen Sie es einmal. Es geht nicht. Um einen Lkw-Reifen durchzustechen, ist ein immenser Kraftaufwand nötig. Fakt scheint zu sein, dass bei den Lkw-Reifen die Luft abgelassen wurde. Luft gibt es umsonst. Noch.
„Ein Polizist schwer verletzt. Staatsanwalt ermittelt wegen versuchter Tötung.“ Falls es sich bei dem Polizisten um den Polizisten in Zivil handelt, der auf diesem Video zu sehen ist, ist offensichtlich, dass er nicht schwer verletzt wurde. Er kann stehen und gehen. Bisher habe ich kein Bildmaterial gefunden, auf dem zu sehen ist, wie der Polizist – wie in den Medien zu lesen – von Demonstranten verprügelt und getreten wurde. In einem anderen Video ist derselbe Polizeibeamte nach dem Vorfall in einem DRK-Wagen zu sehen, wie er gerade telefoniert. Ein schwer verletzter Mensch telefoniert nicht – er wird auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus gebracht! Übrigens: Der Polizist wurde heute nach Medienberichten wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Er wird von seiner Lebensgefährtin, die im medizinischen Bereich tätig ist, gepflegt. Hat sie etwa eine Intensivstation zu Hause?
„Knallkörper wurden gezündet. Mehrere Polizisten erlitten Knalltrauma.“ Der Begriff Knallkörper wird von allen Medien im Plural verwendet. Bisher liegen mir jedoch keine Informationen darüber vor, dass es sich um mehr als einen Knallkörper gehandelt hat. Ein Video, das die Detonation eines Knallkörpers zeigt, vermittelt darüber hinaus ein völlig anderes Bild: Der Knallkörper geht in der Nähe von Demonstranten hoch. Doch die Polizisten – gut mit Helmen ausgerüstet, die die Ohren bedecken – stehen eindeutig nicht in der Nähe der Detonation. Wie sollen sie dann ein Knalltrauma erlitten haben?
Sie sehen – Fragen über Fragen. Und das Schlimmste dabei ist: Unsere Pressemedien stellen diese Fragen erst gar nicht. Sie replizieren und käuen wieder, was die Nachrichtenagenturen verbreiten. Meist sogar wörtlich. Sieht so Journalismus aus?
Den Stuttgarter Nachrichten habe ich vorgeschlagen, künftig einen eigenen Reporter zu den Demos zu schicken. Antwort bisher keine. Dabei stünde es gerade den örtlichen Medien gut zu Gesicht, wenn sie selbst vor Ort recherchieren würden, statt sich auf dpa & Co zu verlassen.
Meine These, basierend auf gesundem Menschenverstand – und nicht zuletzt auch basierend auf Erfahrungen in der Vergangenheit:
Auf der Montagsdemo wurden gezielt so genannte Agents Provocateurs eingesetzt, damit die Stimmung bundesweit kippt. Von wem diese Provokateure eingesetzt wurden, darüber lässt sich nur spekulieren. Diese Personen haben die Stimmung meines Erachtens angeheizt, indem sie begannen, Bauzäune umzuwerfen, mindestens einen Knallkörper zu zünden (seltsamerweise offenbar NICHT direkt neben Polizisten) und Rangeleien zu initiieren. Es ist nicht schön und es darf auch nicht passieren, aber es ist menschlich und nachvollziehbar, dass sich einige Demonstranten davon haben anstecken lassen.
Ich bin sicher, die S21-Gegner haben daraus gelernt. Sie werden es nicht zulassen, dass ihr friedliches Image weiter beschädigt wird.
Bleibt zu hoffen, dass auch die Presse daraus lernt. Doch hier bin ich mir nicht so sicher.
An dieser Stelle möchte ich auf einen Blogpost von Friedhelm Weidelich aufmerksam machen, der den Gegnern von Stuttgart 21 exzellente Tipps für die „Beweissicherung“ auf Demos gibt. Denn nur wenn die vor Ort erstellten Videos eine professionelle Qualität haben, nutzen sie etwas. Unbedingt lesen!
An dieser Stelle noch einmal: An alle, die auf besagter Montagsdemo am 20. Juni waren – wie viele Knallkörper habt ihr gehört?